Mit der Stiftung besteht im Schweizerischen Recht die Möglichkeit, ein Vermögen einem bestimmten Zweck zu widmen und dadurch eine eigene Rechtsperson zu schaffen. Die Stiftung ist ein äusserst beliebtes Rechtsinstitut: In der Schweiz gibt es über 13’000 Stiftungen – Tendenz steigend. Das gesamte in Stiftungen vorhandene Vermögen beträgt etwa 100 Milliarden Franken. Somit ist die Schweiz einer der wichtigsten Stiftungsstandorte weltweit.[1]
Um künftigen Anforderungen an die Stiftung zu genügen, wurden jüngst Gesetzesänderungen im Stiftungsrecht in Kraft gesetzt. Dieser Beitrag soll Ihnen einen Überblick über diese neuen geben und einen Blick in die Zukunft der Stiftung wagen.
Neues Stiftungsrecht seit 1. Januar 2024 in Kraft
Am 1. Januar 2024 sind in der Schweiz neue Gesetzesbestimmungen im Stiftungsrecht in Kraft getreten, welche eine Flexibilisierung von Organisationsänderungen und unwesentliche Änderungen an der Stiftungsurkunde zum Inhalt haben. Zudem wurden formelle Klarstellungen getroffen.
Inhaltliche Neuerungen
Bislang konnte sich der Stifter gestützt auf Art. 86a ZGB (Fassung bis 31.12.2023) nur vorbehalten, den Zweck der Stiftung zu ändern. Neu hat er auch die Möglichkeit, einen Organisationsvorbehalt anzubringen (neuer Art. 86a ZGB). Das heisst, der Stifter kann in der Stiftungsurkunde beispielsweise vorsehen, dass die Wahl, die Anzahl und die Amtsdauer der Mitglieder des Stiftungsrats geändert werden können. Solche Änderungen dürfen nicht häufiger als jede 10 Jahre vorgenommen werden.
Unwesentliche Änderungen an der Stiftungsurkunde können neu vereinfacht angebracht werden (Art. 86b ZGB). Während vormals triftige sachliche Gründe notwendig waren, sind es heute nur noch sachliche Gründe. In der Praxis sind hier jedoch keine grossen Änderungen zu erwarten, weil die Behörden bereits bisher grosszügig bei der Annahme triftiger sachlicher Gründe waren.
Formale Klärungen
In Art. 84 Abs. 3 ZGB wird neu die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde der Stiftung geregelt. Eine solche war auch nach altem Recht möglich, jedoch nirgends gesetzlich geregelt. Neu ist geklärt, dass Begünstigte und Gläubiger der Stiftung sowie Stifter und Stiftungsratsmitglieder gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane bei der zuständigen Behörde Beschwerde erheben können. Insbesondere wurde damit abschliessend geklärt, welche Personen zu einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde legitimiert sind.
Ebenfalls geklärt wurde, dass die von der zuständigen Behörde verfügten Änderungen an der Stiftungsurkunde gem. Art. 85-86b ZGB keiner öffentlichen Beurkundung mehr bedürfen (Art. 86c ZGB).
Kein Trust nach Schweizer Recht
Im Januar 2022 hat der Bundesrat einen Entwurf zur Einführung eines Schweizer Trusts in die Vernehmlassung geschickt. Beim Trust handelt es sich um ein angelsächsisches Rechtsinstitut der Widmung eines Vermögens für einen bestimmten Zweck. Er weist zwar diesbezüglich Ähnlichkeiten mit der Stiftung auf, begründet jedoch keine eigene juristische Person. Da die Ergebnisse der Vernehmlassung ablehnend ausgefallen sind, hat der Bundesrat im Herbst 2023 entschieden, das Gesetzgebungsprojekt vorerst zur Seite zu legen. Anerkannt werden in der Schweiz jedoch weiterhin Trusts nach ausländischem Recht.
Vermehrtes Interesse an der Familienstiftung
Mit dem Verwerfen des Schweizer Trusts ist die Stiftung und insbesondere die Familienstiftung vermehrt ins Rampenlicht gerückt. In der Schweiz ist es zurzeit nicht zulässig, eine Stiftung zu errichten, welche dem Unterhalt von (künftigen) Familienmitgliedern dient (Art. 335 ZGB). Offenbar besteht dieses Bedürfnis dennoch: Wollen Familien ihr Vermögen über mehrere Generationen vor Zersplitterung schützen, wird häufig auf die Gründung von Trusts nach ausländischem Recht oder liechtensteinische Familienstiftungen ausgewichen.
Im Ständerat wurde im Dezember 2023 eine Motion angenommen, welche das Verbot der Unterhaltsstiftung aufheben möchte (Motion Burkart, Nr. 22.4445). Befürworter einer Aufhebung bringen vor, es handle sich um eine Lücke im schweizerischen Recht, wenn auf ausländische Rechtsinstitute ausgewichen wird. Hingegen wird von Gegnern vorgebracht, das Instrument hätte für einen Grossteil der Bevölkerung keinen Nutzen. Sollte die Motion Burkart auch vom Nationalrat angenommen werden, wäre der Bundesrat am Zug: Er müsste eine Gesetzesänderung ausarbeiten, welche das Verbot der Familienstiftung aufhebt. Wie die Schweizer Stiftungslandschaft in Zukunft aussehen wird, bleibt daher spannend.
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[1] StiftungSchweiz, Stiftungen in der Schweiz, https://stiftungschweiz.ch/stiftungsverzeichnis/stiftungen-schweiz/#:~:text=Die%20Schweiz%20ist%20einer%20der,gesamte%20Stiftungsvermögen%20rund%20100%20Mrd (zuletzt abgerufen am 14. Januar 2024).